Haydn hatten die spektakulären Aufführungen von Händel-Oratorien tief beeindruckt, als er 1791 nach England reiste. Solche Chöre gab es in der italienischen Tradition nicht, der auch die Wiener Oratorien verhaftet waren. Warum sollte er nicht selbst einmal etwas dieser Art versuchen? So kam es, dass er ein Libretto aus England mitbrachte, was wahrscheinlich zunächst Georg Friedrich Händel vorgelegt worden war: John Miltons (1608-1674) episches Gedicht »Paradise Lost«.
Joseph Haydn bekam es während einer Englandreise in die Hände und brachte es mit nach Wien. Nun widmete sich Haydn in der Folgezeit dem Themenkomplex der »Schöpfung«. Dabei hielt er sich in der Reihenfolge der Schöpfungstage an die biblische Vorlage und die Rezitative waren zu weiten Teilen wörtlich aus Genesis 1, dem ersten Buch der Bibel, übernommen. In den Arien aber verarbeitete er immer wieder Gedanken und Bilder aus Miltons Gedicht. Milton stellte den Sündenfall des ersten Menschenpaares in den Vordergrund und schilderte ihn aus der Sicht des Satans. Haydn interessierte an der Thematik etwas anderes. Er machte ein aufklärerisches Werk daraus.
Die Menschen können durch die ihnen von Gott gegebene Vernunft Gottes Schöpfung begreifen. Da diese Schöpfung aus Gottes Hand kommt, ist und bleibt sie unveränderlich gut. Steht bei Milton die pessimistische Einschätzung im Vordergrund, dass der Mensch immer zur Sünde neigt und einer Erlösung bedarf, so herrscht bei Haydn ein aufklärerisch-idealistisches Welt- und Menschenbild vor. Vor dem Sündenfall, Miltons zentralem Geschehen, wird bei Haydn nur ganz am Schluss zart in einem unscheinbaren Rezitativ gewarnt.